Wildes Blut in Gottes Licht
13. November 2009 von Claudia | 2 Kommentare
Die Suche nach der vollkommenen Blüte kann der Sinn eines ganzen Lebens sein.
Es hatte mir kein Mensch auf dieser Welt das Recht zugesprochen eine Frau zu sein. Man lehrte mich ab einem gewissen Alter die Beine zu kreuzen, damit ich nicht den Mann reize, man brachte mir bei Besucher mit einem höfischen Knicks zu empfangen und meine Kunst den Anderen zu geben. Ich spielte Klavier für die Anderen, dann tanzte ich für die Anderen und dann waren irgendwann nur noch die Anderen da …
Die bedeutsame Masse, denen ich zu dienen hatte, bis ich irgendwann an einem See in Berlin saß, mein Kind stillte und in allen Zellen meines Körpers fühlte: „Ich bin draußen“. Um draußen zu sein muss man irgendwo drin gewesen sein. Ich weiß bis heute nicht wo ich drin gewesen sein soll, nur dass ich draußen vor der Tür stand.
Was dieser eine kleine Schritt vor die Tür bedeutete wurde mir erst Jahre später klar. Es war der Beginn einer langen Reise, einer Reise, deren Ziel undurchsichtig im Nebel lag.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Weg gegangen wäre wenn ich das Ziel gewusst und klar beim Namen hätte nennen können. Vermutlich hätte ich meine Absicht in Frage gestellt und mich für einen bequemeren Pfad entschieden.
Bequemlichkeit als Abwesenheit von Leiden gedeutet.
Das Paradoxe an dieser Entscheidung war die Tatsache, dass ich von mir selbst dort hin gelenkt wurde, ohne dies kognitiv bewusst entschieden zu haben. In unserer Welt erzieht man uns nicht zu unseren Instinkten, man trainiert sie uns ab. Die Zerrissenheit zwischen Bauch und Kopf, Ratio und Gefühl erschien mir unerträglich.
Nur ein Wort sammelte sich in den tausend Gängen meiner Gehirnwindungen und drang in das Bewusstsein:
FREIHEIT.
Diese tiefe Sehnsucht nach Freiheit und Einssein gab mir die Kraft und den Mut einen Weg als Frau zu gehen, den meines Erachtens nur ganz wenige Frauen gehen, den Weg der ANGST.
Ich konfrontierte mich mit mir SELBST und allem was dieses SELBST mit sich zog.
„Tu das wovor du am meisten Angst hast, dann weißt du, dass du es kannst und brauchst es nicht mehr zu fürchten.“
Diesen Satz schrieb ich mit achtzehn auf meine Zimmertür, es war eine selbstgewählte Bannbotschaft in die ich mich schickte. Die unbeugsame Wildnatur in mir, der Schrei nach Gerechtigkeit und tiefer Wahrheit war die treibende Kraft in meinem ganzen Leben. Ich konnte und ich wollte mich niemals mit dem zufrieden geben, was die Welt mir vorspielte wie Frau und Leben zu sein hat. Überall wo ich Leben suchte fand ich den seichten Schlaf des mangelnden Bewusstseins, das Sterben aber nicht das Leben. Ich fand die Kopie, den Abklatsch von vorgelebten Leben, welches man mir anbot als Lösung um gesellschaftlich akzeptiert ein „gutes“ Leben zu führen.
Ein gesellschaftlich akzeptiertes Leben als Frau:
- Die Frau, die den Männern zeigt wie der bessere Mann auszusehen hat,
- die Frau, die Märtyrerin, die vorgibt zu lieben in dem sie ihr Leben Anderen opfert,
- die Frau, die ihre Sexualität gänzlich leugnet und die brave Tochter spielt bis dass der Tod sie scheidet,
- die Frau, die sich zurück zieht aus allem Leben, da sie sich permanent als ungewollt erfährt,
- die Frau, die krank wird, krank an mangelnder Liebe sich selbst gegenüber,
- die Frau, die vorgibt, die ultimative Siegerin zu sein in dem sie alles unter Kontrolle hat,
- die Frau, die aus ihrem Sohn den Traummann macht, damit wenigstens einer ihre unerfüllte Seele beglückt,
- die Frau, die ihren Hass ungefiltert an jenen auslässt die glücklicher sind als sie,
- die Frau, die ihre Seele für Geld verkauft, damit sie wenigstens etwas Wert für ihre Sexualität erfährt,
- die Frau, die ihre Angst vor Nähe in ein Diva Leben packt, damit sie unberührt von dem Staub der Erde bleibt und
- die Frau, die ihr Leben einem männlichen Gott unterweist in der Hoffnung, dass es irgendwo da draußen einen „liebenden Vater“ gibt.
Die Frau ist krank, krank an Liebe und unerfülltem Leben. Sie wird so lange den Weg des Sterbens gehen bis sie wach wird, sei es durch einen Schicksalsschlag oder dem festen Willen den Nebel des schlafenden Bewusstseins zu durchdringen, um zu erkennen, dass all das was sie in der Außenwelt sucht, in ihr selbst „ruht“.
Die Schöpfungskraft ist weiblich.
Die Frau gebärt das Leben und sie kann das Leben auch nehmen in der Weigerung ihre persönliche Macht anzuerkennen und das Erbe ihrer Kraft anzutreten. Sie empfängt das heilige Wissen, sie ist der Kelch, in dem sich Weisheit, Güte und Liebe sammelt, wenn ihre Seele rein ist von aller Angst.
Der Mann kann über die Impulse der Frau den tiefen Sinn seines Daseins erfahren und sich als ganzes Teil der Schöpfung erfahren. Die Frau hat die legislative, der Mann die exekutive Kraft. Gemeinsam können sie des Großen Ergänzung sein und bedingungslos den Weg der Liebe gehen, vorausgesetzt die Frau hat den Weg der Heldin angetreten und weiß wer sie wirklich ist.
Die große Herausforderung des Mannes ist es, die lähmende Angst vor dem Tod zu überwinden. Dies kann er nur alleine. Keine Frau der Welt vermag einen Mann zu retten, der in der Weigerung lebt, sich jener Angst zu stellen, die ihn seit der Durchtrennung der Nabelschnur von seiner Mutter quält.
Eine Frau, die nicht um ihre Kraft und ihre Macht weiß, kann nicht lieben. Sie gibt die Impulse der Angst und erntet die Angst. Erst wenn sie es geschafft hat, ihre Lebensquelle von allen nicht förderlichen Einschränkungen frei zu schaufeln, kann sie erkennen wer sie ist und wird in stiller Hingabe und bedingungslosem Vertrauen an sich selbst die heilende Kraft ihrer Weiblichkeit erfahren. Die Göttin in der Frau ist die letzte Instanz, die Frau auf der langen Suche nach sich SELBST erfährt.
Das ist das reine Licht des Himmels welches sich mit der Wildnatur verbindet. Ohne gelebte wilde Frau keine Göttin. Das Eine bedingt das Andere.
Das wilde Blut in Gottes Licht zu erfahren ist die Aufgabe jeder Frau. Es gibt kein Rezept, keine Gebrauchsanleitung; nur der stumme Schrei der Seele, die Tiefe der Sehnsucht und der bedingungslose Glaube an die Vollkommenheit von Leben führen auf den Weg zur wahren Quelle.
In der dunkelsten Nacht der weiblichen Seele strahlt der hellste Stern. Dort lösen sich alle Irrtümer über Leben, Sterben, Gott und Liebe, dort blüht das wahre Wissen über das wahrhaftige Sein, dort ist Anfang und Ende, still und stumm vereint.
1. ew-b
Kommentar vom 13. November 2009 um 14:01
Liebe Claudia,
Du sprichst mir voll aus der Seele. Und es ist ein weiter Weg bis zu dieser Erkenntnis. Gerade Frauen werden immer wieder Steine in den Weg gelegt – vor allem wenn sie ihren Zorn und ihre Wut zeigen. Dann wird schnell wieder an Anpassung erinnert, an: „Schau mal in den Spiegel, wie du aussiehst, wenn du wütend bist“. Daraus spricht die Hilflosigkeit der Männer, sich mit den Gefühlen der Frau auseinanderzusetzen – und erst recht mit den eigenen, die dadurch ausgelöst wurden bzw. werden.
Danke Dir für diese wunderbaren Zeilen. Evelyn
2. Claudia
Kommentar vom 13. November 2009 um 14:54
Liebe Evelyn,
dies ist eine der größten Herausforderung, sich nicht durch Unverständnis aufhalten lassen. Weiter gehen und bei sich bleiben, auch wenn es kein Applaus gibt und man alles andere als Verständnis und Trost erntet.
Liebe Grüße an dich
Claudia