Einer flog über das Kuckucksnest
13. März 2011 von admin | 2 Kommentare
Wer kennt nicht diesen großartigen Film mit Jack Nicholson?
In dieser Hauptrolle ist er absolut brillant – und seine Einfühlung als Darsteller in der Patientenrolle ist einfach grandios.
Hier ein kurzer Ausschnitt aus dem Filmklassiker – zur Erinnerung:
Nun, dieser Film wurde 1975 vorgestellt und zeigt einen Mann in der Psychiaterie. Der Film ist mehrfach prämiert, unter anderem mit dem Oscar. Im Original lautet der Filmtitel: „One Flew Over The Cuckoo’s Nest“, wobei „Cuckoo“ soviel bedeutet wie „verrückt“. Was ich mich frage, hat sich seit dem etwas in der Psychiatarie verändert, denn schließlich ist der Film rund 37 Jahre „alt“?
Ich hatte Ende vergangenen Jahres die Gelegenheit, ein Praktikum auf der Akutstation der Psychiatrie zu machen, und zwar sowohl auf der geschlossenen als auch auf der offenen. Und was ich dort sah und erlebte, machte mich absolut sprachlos.
In meiner Ausbildung nahm die Psychiatrie, mit all ihren Krankheitsbildern, wie z.B.
- Borderline
- Persönlichkeitsstörungen
- Angst- und Panikstörungen
- Phobien
- Depression
- Neurosen
- Psychosen
- bipolare Störungen
- Manie
- Süchte (Alkohol, Medikamente, Drogen)
- Schizophrenie etc.,
einen großen Raum ein, insbesondere auch, wie der Umgang damit sein „soll“ und welche Hilfe möglich ist. Doch was ist Hilfe und wer will sie?
Was ich bei diesem Praktikum erlebte, ist, daß dort ausschließlich Psychopharmaka – wie Antidrepressiva, Hypnotika, Lithium verordnet werden. Pflanzliche Mittel sind völlig ausgeschlossen; es sind nur Verträge mit den Pharmafirmen geschlossen. Die Menschen ruhig stellen ist oberste Priorität, was auch erst einmal ein guter Ansatz ist, damit neues Handeln möglich wird und Ruhe im Menschen einkehrt. Doch überraschte mich, daß es ganz, ganz viele „Wiederholungstäter“ dort gibt. Also Menschen, die teilweise schon zum 6. Mal da sind – in der „Pension Mamma und Pappa“:
Es gibt feste Zeiten, zu denen aufgestanden wird, wo es Frühstück, Mittagessen und Abendessen gibt. Es gibt feste Zeiten für die flankierenden Maßnahmen, wie Ergotherapie, Informationsgruppen zu Depressionen, Ängsten, Süchten, die erklären, was dann in einem passiert. Keiner braucht sich hier Gedanken machen über das Einkaufen, Putzen, Organisation des täglichen Lebens. All das wird abgenommen. Und die Medikamente stellen ruhig – und halten weiter vom eigenen Leben ab. Wie fremdgesteuert sind die Menschen. Und alle einhergehend mit somatoformen Störungen, ausnahmslos.
Und immer wieder dann die Aussage: „Wenn ich doch nur … das nicht mehr hätte, dann … „ Und wer war bereit, sich wirklich psychologische Hilfe zu suchen bzw. diese in Anspruch zu nehmen? Kaum einer von den Patienten, die ich dort kennenlernen durfte. Vielfach ist es auch so, daß lange Wartezeiten (teilweise bis zu 6 Monaten, um einen Therapieplatz zu erhalten) bei Psychologen bestehen, teilweise ist eine Ablehnungshaltung da mit jede Menge Vorbehalten.
Doch überwiegend erlebte ich ein: „Ich brauch nur ein Mittel bzw. benötige ich eine neue Medikamenteneinstellung, damit es mir wieder besser geht. Das ist alles.“ Dass die Dosis immer höher wird, immer „härtere“ Medikamente (so z.B. Benzodiazepine, die süchtig machen) verordnet werden, die weitere Verschlechterungen im Körper auslösen, wie z.B. das Zunehmen an Gewicht, Schlafstörungen und vieles mehr, wird damit kompensiert, daß weitere Medikamente verordnet bzw. eingenommen werden.
Die Erfahrungen, die ich hier sammeln durfte, waren zahlreich und vor allem wertvoll.
Ich hatte vor, einen zweiten Teil hierzu zu schreiben, doch ich lasse es sein. Ich baue darauf, daß diese Zeilen dennoch dazu beitragen, über eigene Veränderungen nachzudenken – und diese dann auch umzusetzen. Und das geht nur über den Weg, ins Fühlen unserer Gefühle zu gehen.
Herzlichst
Mentorin auf Zeit
1. Gleichgewicht.com
Kommentar vom 11. November 2011 um 00:09
Mir wird aus dem Beitrag nicht ganz deutlich, ab dem Punkt „es gibt Zeiten…“ ob Du hier von einem offenen oder geschlossenen Bereich sprichst. Dennoch schockierte mich einst, die totale Verweigerung gegen alternative Medizin wie Johanniskraut (empirische Studien liegen bereits vor). Was mir in diesem Zusammenhang noch unverständlicher ist, wie wenig an ein Verständnis appelliert wird. Medikamente sind einfacher, scheinbar für beide Seiten. Und eine Industrie in der Mitte freut sich, aber psst. keiner redet drüber weil man es ja alles medizinisch rechtfertigen kann. Ich möchte bitte nicht missverstanden werden, sie können durchaus eine Berechtigung haben, nur ist dessen leichtfertiger Umgang brutal schockierend.
2. Evelyn
Kommentar vom 7. Dezember 2011 um 00:33
Hallo Peter,
danke für Deinen Beitrag! Was die festen Zeiten anbelangt, so gilt das sowohl für die geschlossene als auch für die offene Abteilung. Klare Regelungen! Ja, alternative Heilmittel wurden prinzipiell abgelehnt, paßt alles andere als in den Ablauf. Begründung: Unsere Apotheke hat da keine Verträge mit den entsprechenden Firmen… Und es wurde auch prinzipiell die Komplementärmedizin belächelt, um es sanft auszudrücken … Doch die Patientin sind da gemeinsam im Boot. Sie jammern ohne Ende … frei nach dem Motto, was gäbe ich, wenn … doch wenn es um das Handeln ging, machten sie ganz schnell einen Rückzieher. Lieber im bekannten Leid verharren als Neues zu erobern.
Freue mich, Peter, Dich wieder einmal hier zu lesen.
Herzlichst
Evelyn
Mich hat die Zeit sehr mitgenommen …