Es kann nur einen geben …!
29. August 2011 von admin | 1 Kommentar
Es geschah an einem Mittwoch Abend, an dem eine jener unbedeutenden Ejakulationen etwa 80 Millionen Spermien freisetzte, wie sie täglich Hundertausendfach geschahen. So auch in der jungen Braut Gudrun, die sich mit Harald zum vorehelichen Verkehr entschlossen hatte! Und nun?
Der gnadenlose Wettlauf durch ihre dunkle Feuchte in Richtung Eizelle hatte begonnen. Schnell bildete sich eine Spitzengruppe. Detlef und Paule, zwei kräftige Schwimmer, ehrgeizig und zielorientiert lagen derzeit an der Spitze. Dicht bei dicht kämpften sie um den ersten Platz, sich argwöhnisch beäugend und mit unbändigem Überlebenswillen vorwärts drängend, während das Feld abgeschlagen hinterher paddelte.
»Verdammt, lass die Drängelei! Du hast gegen mich sowieso keine Chance«, versuchte Detlef seinen Konkurrenten zu demoralisieren.
»Das könnte dir so passen!«, presste Paule angestrengt durch die Zähne.
Doch keiner von beiden vermochte sich einen entscheidenden Vorsprung verschaffen. Detlef fühlte, wie seine Kräfte allmählich schwanden. Wollte er den Wettlauf gewinnen, musste er sich ziemlich ins Zeug legen.
»He, du«, meinte Paule, »weißt du, was mir die Prostata vorhin erzählt hat?«
»Die erzählt viel, wenn der Tag lang ist«, antwortete Detlef atemlos und schwänzelte unbeirrt weiter. Paule holte tief Luft und versuchte mit einem doppelten Rittberger einige Zentimeter gut zu machen. Detlev konterte geschickt mit einer rückwärts eingesprungenen Pirouette.
»Also, sie hat erzählt«, keuchte Paule, »dass wenn man das Ei erreicht, so als
erster, versteh’ste, dass man dann damit verschmilzt und… «
»Boa, is doch cool, verschmelzen«, erwiderte Detlev und versuchte links vorbeizuziehen, wurde jedoch von Paule ausgebremst.
»Ja, und dann gibt man sein Erbmaterial ab oder so, und dann fängt die Teilerei an… «
»Hört sich echt groovy an.« Detlevs Versuch, durch eine unerlaubte Rolle an der oberen Vaginalwand Paule auszutricksen, um kurz vor dem G-Punkt auf die Innenbahn zu gelangen, schlug fehl. Aber er konnte das Tempo halten und blieb auf gleicher Höhe.
»Ja, und dann soll man angeblich aufgehen wie ein Hefekuchen. Monatelang geht das so. Du wirst größer und größer«, fuhr Paule unbeirrt fort. »In der Fruchtblase soll’s am Ende verdammt eng zugehen«, fügte Detlev an.
»Hört sich aber ziemlich ungeil an. Ich hab’s gern geräumig und warm«, keuchte Detlev, und machte ein paar schnelle Flossenschläge.
»Und wenn du denkst, du packst es nicht mehr und willst dich frei strampeln, wird’s gefährlich. Anscheinend soll man sich ziemlich leicht in der Nabelschnur verheddern.«
»Sagt wer?«, erwiderte Detlev.
»Die Prostata! Manchmal knallen sie einem so ne Saug-Glocke an die Rübe. Man wird regelrecht entkorkt…!«
»Du spinnst.« erwiderte Detlev und tippte sich mit der Schwanzflosse an die Stirn.
»Wenn ich’s dir doch sage! Und ist man erst einmal draußen, soll es erst richtig abgehen…! Schreien, essen, kacken. Wer weiß, was für Eltern du kriegst. Und dann erst noch die Verwandten! Die Prostata hat gewarnt, ich soll mich besser nicht so anstrengen. Es brächte sowieso alles nichts. Kaum bis’te draußen, schon fummeln alle möglichen Leute in deinem Gesicht herum und brüllen dich an: Eia, Eia, wo isser denn!«
»Echt? Obwohl sie dich sehen können…?«, meinte Detlev und kicherte.
»Ich versteh’s auch nicht«, erwiderte Paul grinsend. »Jedenfalls schwenken dich alle möglichen Leute ziemlich oft in der Luft herum, nerven dich mit Rasseln und machen hoppe-hoppe-Reiter. Da muss‘te echt aufpassen, dass du normal bleibst!«
»Das kann ja heiter werden«, knurrte Detlev.
»Lach nur«, prustete Paule völlig außer Atem, »es dauert nicht mehr lange, dann hast‘e nichts als Probleme am Hals. Kindergarten, Schule, Lehre, Arbeitsamt, Hartz vier, und…und …und…! Wenn Du Pech hast, erbst du ein Geschäft und kriegst es mit dem Finanzamt zu tun! Angeblich soll das überhaupt nicht mehr aufhören.«
Detlev hatte genau zugehört. Hatte er Paule richtig verstanden? Arbeit? Stress? Finanzamt?
Paule nickte.
»Du, sag mal«, fragte Detlev, und man konnte ihm die Verunsicherung anhören. »Was hat die olle Zicke von Prostata denn noch so alles von sich gegeben?«
»Dass das Leben da draußen echt heavy ist, also kein Zuckerschlecken«, entgegnete Paule düster. »Du musst malochen, bis die Schwarte kracht und alle zocken sie dich ab. Lohnsteuer, Kirchensteuer, Gewerkschaftsbeiträge, Krankenkasse, Gemeindeabgaben, Müllgebühren, Kreditzinsen, teure Freundinnen und nörgelnde Ehefrauen, von deinen Kindern will ich gar nicht reden!«
Paule machte eine Pause und konzentrierte sich auf den Endspurt. Doch dann schien ihm etwas einzufallen. »Das Schärfste von allem ist, deine eigenen Kiddies liegen dir ein Leben lang auf der Tasche. Taschengeld, Gameboy, MP3-Player, Markenklamotten. Du kommst gar nicht mehr nach mit dem Bezahlen. Und kaum has‘te die Raten für dein Haus abgestottert, wirs’te von den Gören ins Altersheim abgeschoben. Es dauert nicht mehr lange, dann brauch‘ste ein neues Hüftgelenk und neue Zähne, und kein Schwein interessiert sich dafür. Meins’te, das zahlt dir jemand? Frag mal frn Rösler, der hustet dir was! Dann ist es aus! Ex und hopp.«
»Was meinst du mit ex und hopp?« Detlev stand die blanke Angst im Gesicht geschrieben.
»Na, man nippelt halt ab, ohne Zähne im Mund, versteh’ste!«, erklärte Paule. »Wie unsere Kollegen da hinter uns, die Millionen von Looser, die nicht mal annähernd so weit gekommen sind wie wir.«
»Und du meinst, die hat Ahnung?«, entgegnete Detlev panisch.
»Wer?«
»Na die Prostata! Woher will die denn das alles so genau wissen!«
Paule warf Detlev einen wissenden Blick zu. »Diese Dingsbums hat’s mir bestätigt.«
»Dingsbums?«, fragte Detlev und in seiner Stimme schwang Verzweiflung.
»Jah, doch…, diese Vagina. Sie hat mit allen möglichen Typen verkehrt, bis Harald auf sie reingefallen ist. Kaum hatte der Idiot etwas von ewiger Liebe gefaselt, war er geliefert! Jetzt will Gudrun unbedingt Nachwuchs und wir sollen dafür herhalten.«
Detlev hielt inne und stellte jede weitere Schwimmbemühung ein. »Und ich dachte immer, dass ich irgendwann mal Karriere mache und einen Haufen Kohle verdiene.«
»Mach dir bloß keine Hoffnungen«, brummelte Paule. »Bei der Wirtschaftslage hättest du nu ne Chance, wenn der Kerl, der uns hier abgeladen hat, Politiker oder Banker wäre.«
»Und…? Isser nich…?«
»Nä!«, ächzte Paule und blickte Detlev mitleidig an. »He, was is’n los Alter! Schwimm weiter!« Mit letzter Kraft paddelte er weiter. »Schau, Muttermund in Sicht! Ich weiß, nur einer von uns kann’s schaffen. Lass es uns gemeinsam zu Ende bringen. Wenigstens konnten wir nett miteinander plaudern.«
»Nee du! Weißt’e, ich hab ich echt keinen Bock auf Stress, Arbeit und so’n Trallala«, meinte Detlev demoralisiert. »Am Ende ist eh „Game over“! Schwimm du mal weiter zu deinem Ei, okay? Ich gönn es dir. Ich bleib hier und werde in aller Seelenruhe abwarten bis ich absterbe. Ich glaube der Tod ist schöner.«
Paule nickte und machte ein paar traurige Schwimmstöße. Als er endlich die Eizelle erreicht hatte, warf er seinen Ruderschwanz ab, klammerte sich am Ei fest und sinnierte: Wenn ich da nur nichts falsch gemacht habe! Vielleicht hatte Paule recht mit allem, was er erzählte. Er fasste einen spontanen Entschluss. Er würde sofort umkehren und einen anderen den Mist auf der Erde ausbaden lassen.
Zu spät. Die Verschmelzung hatte begonnen.
© Claudio Michele Mancini 2011
Danke, Claudio, für diesen mehr als humorigen Beitrag.
Herzlichst
1. Detlef Pick
Kommentar vom 3. Januar 2012 um 14:52
Aaaalso. Toll geschrieben.
Ich hab da nur einen kleinen Kritikpunkt.
Detlefs, die mit F, geben nicht auf.
Höchstens die mit V, naja, Nomen est Omen, V wie Verlierer.
Also Jungs, gebt nicht auf. Auch ihr Vs könnt es.
V wie versuchen. Also los.
:-))