Der Tempel der tausend Spiegel

© Andrea Marchetti

Es gab in Indien den Tempel der tausend Spiegel.

Er lag hoch oben auf einem Berg und sein Anblick war gewaltig. Eines Tages kam ein Hund und erklomm den Berg. Er stieg die Stufen des Tempels hinauf und betrat den Tempel der tausend Spiegel.

Als er in den Saal der tausend Spiegel kam, sah er tausend Hunde. Er bekam Angst, sträubte das Nackenfell, klemmte den Schwanz zwischen die Beine, knurrte furchtbar und fletschte die Zähne. Und tausend Hunde sträubten das Nackenfell, klemmten die Schwänze zwischen die Beine, knurrten furchtbar und fletschten die Zähne.

Voller Panik rannte der Hund aus dem Tempel und glaubte von nun an, dass die ganze Welt aus knurrenden, gefährlichen und bedrohlichen Hunden bestehe.

© Andrea Marchetti

Einige Zeit später kam ein anderer Hund, der den Berg erklomm. Auch er stieg die Stufen hinauf und betrat den Tempel der tausend Spiegel. Als er in den Saal mit den tausend Spiegeln kam, sah auch er tausend andere Hunde. Er aber freute sich. Er wedelte mit dem Schwanz, sprang fröhlich hin und her und forderte die Hunde zum Spielen auf.

Dieser Hund verließ den Tempel mit der Überzeugung, dass die ganze Welt aus netten, freundlichen Hunden bestehe, die ihm wohlgesonnen sind.
– Eine Geschichte aus Indien, Verfasser unbekannt –

Eine gute Fabel, welche uns aufzeigt, mit welchen Augen wir durch „unsere“ Welt gehen. Sind es sehende Augen der Freude oder der Angst? Mit welchen Augen Du auch immer siehst – genau so wird es für Dich sein.

In welchen der beiden Spiegel schaust Du?

Herzlichst

Evelyn


4 Kommentare

  1. 1. Kurt Welser

    Kommentar vom 15. August 2012 um 19:33

    Die aufgeworfene Frage lässt sich nicht generell beantworten !
    Wir alle unterliegen fortwährend Beeinflussungen jeglicher Art, welchen man sich nicht entziehen kann, Spuren hinterlassen und sich analog widerspiegeln. So ist es und so wird es immer sein !

  2. 2. Evelyn

    Kommentar vom 16. August 2012 um 16:15

    Doch, lieber Kurt,

    die Frage können wir alle selbst ganz leicht beantworten. Und selbstverständlich hinterläßt alles Spuren. Und wir selbst entscheiden, welche …

  3. 3. Kurt Welser

    Kommentar vom 16. August 2012 um 19:25

    Liebe Evelyn,
    … von ganz leicht zu beantworten keine Spur, denn spontan ist nicht unbedingt auch gleich richtig und birgt somit beträchtliches Risikopotential.
    Wenn schon, dann sollte (m)eine Entscheidung auch wohlüberlegt und maximal richtig sein …, denn wenn falsch, weil zu flüchtig, sind fatale Folgen nicht ausgeschlossen ! Kluger Rat: Erst Denken …, dann Handeln … unter Berücksichtigung, das alles ununterbrochen fließt, panta rhei … !

  4. 4. Evelyn

    Kommentar vom 16. August 2012 um 19:27

    Du sagst es, Kurt: Panta Rhei … es gibt kein richtig und kein falsch…

    Und nun?

Einen Kommentar schreiben