Schaden übermotivierte Eltern ihren Kindern?

Entdeckung

© Evelyn Worbs

Dürfen unsere Kinder sich frei entwickeln, einfach Spielen, kindlich neugierig ihre Welt entdecken? Dürfen sie ausgelassen sein, herum tollen, Detektiv spielen, auf Bäume klettern, Seifenblasen pusten und ähnliches? Darf es noch lernen, die eigenen Kräfte zu erproben? Darf es spielerisch lernen, sich mit Gleichgesinnten auseinanderzusetzen? Darf es sich auch mal schmutzig machen oder muß es immer sauber und ordentlich sein?

Oder ist es vielmehr so, daß  Eltern sich heute oftmals aus einem bestimmten Sicherheitsdenken heraus und aus Sorge um die Zukunftschancen ihrer Kinder diese bereits hoffnungslos überfordern? Damit sie zur Elite gehören? Sollen Kinder die Erwartungen ihrer Eltern erfüllen, die sie sich selbst nicht erfüllten?

Heute brauchen schon viele Kinder einen eigenen Terminkalender:

© Andrea Marchetti

Vor dem eigentlichen „Laufen lernen“ ist da bereits von den Kids die eine oder andere  Fremdsprache zu erlernen, da ist der Ballett- oder Musikunterricht. Möglichst gleich perfekt soll das Lesen, Rechnen und vieles mehr gekonnt werden. Es kommt ein spezieller Sportverein hinzu und wenn alles nicht so klappt, dann kommen Nachhilfestunden. Irgendwann wird der Druck weiter verstärkt, gilt es dann auf das Gymnasium gehen zu müssen statt z.B. auf eine Realschule, dieses oder jenes Studium ist zu belegen und vieles mehr.

Hier wird bereits durch die Eltern bei den Kindern häufig ein verantwortungsloser Leistungsdruck aufgebaut.  Da wird Kontrolle ausgeübt, da wird oftmals verhindert, dass sich die Persönlichkeit selbst frei entfalten kann. Es droht eine Verarmung der natürlichen Fähigkeiten – und im schlimmsten Fall könnten gar seelische und gesundheitliche Schäden die Folge sein – und führen dann zu Überreaktionen.

© Andrea Marchetti

Und dennoch heißt es lediglich „Es ist ja alles zu deinem Wohle mein Kind …“ Das  ist ein emotionaler Missbrauch , denn die Kids sind ihren Eltern ausgeliefert. Sie sind angewiesen auf deren Liebe, auf deren Fürsorge, auf deren Anerkennung für ihr Sein.

Ich frage mich, zu wessen Wohle? Doch in der Regel zum Wohle der Eltern. Hervorgegangen aus einem überzogenen Ehrgeiz und Prestigedenken?

Bildung ist gut, Bildung ist wichtig – doch auch Herzensbildung gehört dazu. Einem Kind auch die Freiheit von Entscheidungen zu lassen, eigene Erfahrungen sammeln zu dürfen und Fehler zu machen, aus denen es dann lernt. Gefahren aufzuzeigen gehört mit zum Lehrauftrag der Eltern. Doch beinhaltet der Lehrauftrag auch, ihrem Nachwuchs eine kindgerechte Kindheit und Jugend zu erlauben.

Herzlichst

Evelyn


4 Kommentare

  1. 1. Ingrid Pfeifer

    Kommentar vom 28. September 2009 um 08:51

    Ich habe vor wenigen Wochen eine Reportage gesehen, die mich sehr berührt hat. Eine alleinerziehende Mutter (ehemalige Musical-Sängerin) hatte einen 12 Jahre alten Sohn. Der sollte nun unbedingt einen Wettbewerb in Berlin gewinnen, um selbst in einem Musical singen zu können.
    Der Junge hatte eine so voll gepackte Woche, daß mir schon beim Zuhören ganz übel wurde. Es gab Gesangsstunden, Eiskunstlauf, Rollschuhfahren, Kunstturnen (das macht er ja schon, seitdem er 2 Jahre alt ist), und, und, und…
    War er mal zuhause, wurden Hausaufgaben gemacht und dann wurde gesungen, getanzt und performed, was das Zeug hält.
    Die Mutter war während seinem Training immer dabei, gelobt hat sie nie, stattdessen immer nur kritisiert. Freunde? Dafür hat ihr Sohn doch gar keine Zeit…
    Sein Hobby: Freizeitparks. Er wollte unbedingt alle Freizeitparks, die es gibt, einmal selbst besuchen. Las er Bücher darüber, schloß er sich auf der Toilette ein – bis ihn seine Mutter erwischte.
    Von seinem Opa hat er dann als Geschenk Freikarten für einen großen Freizeitpark erhalten – und so haben die Augen des Jungen während der ganzen Zeit nicht geglänzt…

  2. 2. Angelika Steimle

    Kommentar vom 29. September 2009 um 15:50

    Interessantes Thema. Leider werden so die Kinder zu funktionierenden Wesen erzogen, die in dem Wunsch nach Liebe und Anerkennung durch die Eltern alles tun, um es den Eltern recht zu machen. Und während der Pupertät gibt es dann 2 Richtungen: Entweder sie werden Totalverweigerer und brechen aus oder sie machen weiterhin den Eltern alles recht, später dem Partner alles recht, dem Chef usw., kurz gesagt, sie funktionieren immer noch. Sie verraten jeden Tag ihre Seele und gehen kaputt daran. Wenn sie Glück haben, schlittern sie in eine Depression und wachen dann auf. Andere werden körperlich krank und erkennen nicht die Zusammenhänge, zwischen ihren Gefühlen und der Krankheit. Und noch immer steckt in ihnen das verletzte Kind, das sich nach Liebe und Anerkennung sehnt, das es noch immer den anderen recht macht, nur sich selber nicht.
    Manche haben Glück und haben tolle Freunde, die einem helfen, aus diesem Teufelskreis heraus zu kommen. Ich wünsche jedem, dass es in seinem Leben solche Freunde gibt…….

  3. 3. Sabine Mathwig

    Kommentar vom 3. Juni 2010 um 18:38

    Sagte einst Loriot schon, dass Eltern, was die Erziehung und Aufzucht ihrer Kinder betrifft, allesamt ungelernte Arbeitskräfte sind.

    Recht hat er, denn letztlich lernt niemand diesen Job, der da heißen könnte „Mutter“, „Vater“ oder gar „Eltern“.

    Den eigenen Leistungsdruck auf die Kinder zu übertragen, um sie für diese Gesellschaft fit zu machen, halte ich auch für sehr gefährlich.

    Doch den Eltern, die ihren Kids eine straffe 5 – oder gar 6-Tagewoche bescheren, tun dies in bester Absicht. Ihnen ist nicht bewusst, wie sehr sie ihrem Kind ein großes Stück Kindheit rauben.

    Es ist schwer, ein Gleichgewicht und eine Balance zu finden. Kinder brauchen Regeln, Grenzen und Entfaltungsmöglichkeiten, um nicht zu sagen Freiraum.

    Eine Meisterleistung und wohl die schwierigste und größte Herausforderung des Lebens.

    Was helfen kann ist, die Kinder – egal in welchem Alter – als eigenständige und heranwachsende Persönlichkeit zu sehen.
    Die Kinder sind nicht unser verlängerter Arm und auch nicht dafür verantwortlich, unsere verborgenen Wünsche und Träume zu realisieren.

    Und, sie gehören uns nicht.

    Sie haben ein Recht darauf, sich nach ihren Bedürfnissen und Talenten entwickeln zu dürfen. Dabei dürfen wir sie ein Stück ihres Weges aktiv begleiten und sollten mit gutem Vorbild dafür sorgen, dass sie ehrliche, offene und tolerante Menschen werden, die ihre Stärken kennen.

    Machen wir sie zu selbständigen und selbstbestimmten Menschen – statt zu Mini-Erwachsenen, die eines Tages ein großes Stück ihrer Kindheit vermissen.

  4. 4. Evelyn

    Kommentar vom 3. Juni 2010 um 23:08

    Hallo Ihr Lieben,

    Danke Euch sehr für Eure wunderbaren Anmerkungen und Sichtweisen. Leider ist es jedoch vielfach so, wie Ihr schreibt – und gerade deshalb nahm ich hier dieses Thema auf.

    Und ich bringe noch ein Zitat ein, welches eindrucksvoll dazu paßt:

    Von den Kindern
    Eure Kinder sind nicht Eure Kinder.
    Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht
    des Lebens nach sich selber.
    Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
    und obwohl sie mit euch sind,
    gehören sie euch doch nicht.
    Ihr dürft ihnen eure Liebe geben,
    aber nicht eure Gedanken,
    denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
    Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben,
    aber nicht ihren Seelen.
    Denn ihre Seelen wohnen im Haus von Morgen,
    das ihr nicht besuchen könnt,
    nicht einmal in euren Träumen.
    Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein,
    aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
    Denn das Leben läuft nicht rückwärts,
    noch verweilt es im Gestern.

    Khalil Gibran „Der Prophet“

    Ich glaube, wenn immer mehr Eltern/Erwachsene das verstehen und anwenden, dann haben wir alle gemeinsam eine wunderbare Zukunft hier auf Erden.

    Seit ganz herzlich von mir gegrüßt.

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