Der Kunde im Mittelpunkt ???? oder doch die Kompliziertheit?

2501-03Liebe Blogleserinnen und Blogleser.

Sie werden sicher denken was soll dieser Artikel in diesem Blog und erst noch provokativ? Trotzdem möchte ich mit meinem Artikel etwas zum hinterfragen und diskutieren anregen.

„Die Kundenorientierung soll im folgenden als variable, situativ zu beurteilende Grundeinstellung der Mitarbeiter eines Unternehmens zu den Kunden und Kundenbedürfnissen verstanden werden. Es liegt damit nahe, sie als eine der grundsätzlichen Werterhaltungen aufzufassen, welche die Unternehmenskultur prägen“

Dies ist ein Auszug aus einem Buch über „Kundenmanagement“. Schwer verdauliche Zeilen nicht wahr? Wetten, dass der Autor noch nie etwas verkauft hat?

Aus der eigentlich simpelsten Sache der Welt, nämlich den Kunden herzlich zu bedienen und dabei dessen Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen oder seine Probleme zu lösen, damit er positiv gestimmt wieder kommt, aus dieser uralten Weisheit, wird eine komplizierte Lehre gemacht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Autoren dieser Werke selbst nicht genau wissen, was sie da eigentlich schreiben und vor allen Dingen – wie das dann in der Praxis aussehen wird.

Was ist die Ursache für diese geistigen Ergüsse? Ich denke es liegt daran, dass viele nicht mehr an das Einfach glauben. Je komplizierter Charts sind, je worthülsiger die Vorträge, je verdrehter und verwirrender die Ausdrücke von „CRM“ (Customer Relationship Management) über „Clienting“ bis „Interfusion“, desto mehr sind Unternehmen bereit für diese angeblichen Erfolgsrezepte Geld aus zu geben.

Lassen Sie mich eine Behauptung in den Raum stellen: Unternehmen, die es nötig haben, sich auf eine so verquere Weise erklären zu lassen, was denn ein Kunde ist, werden wohl kaum überleben.

Ich weiss nicht, wie sich die Märkte noch entwickeln werden. Fest steht, dass wir es bereits heute – und in Zukunft noch mehr – mit einem Widerspruch zu tun haben. Einerseits beschleunigt sich die Globalisierung wie verrückt, andererseits nimmt gleichzeitig die Individualisierung in der Gesellschaft rasant zu.

Das bedeutet, dass wir uns zukünftig noch individueller, professioneller und intensiver um unsere Kunden kümmern müssen. Das ist eigentlich alles.

unkomplizierte Sichtweise

Dabei sind einige wenige Punkte von grösster Bedeutung:

Die Mitarbeiter
Nach meiner Erfahrung sind in jeder Branche und in jedem Beruf höchstens 25% der Menschen bereit und in der Lage, Höchstleistungen zu vollbringen. Sie sind hoch motiviert, handeln selbständig und wollen etwas bewegen.

Weitere 25% lassen sich von den ersten 25% anstecken. Sie kann und muss man gewinnen. Sie sind Mitarbeiter, um die es sich zu kämpfen lohnt. Sie werden zwar nie die Mannschaft mitreissen, lassen wich aber gerne mitreissen.

Dann gibt es 25%, die „Dienst nach Vorschrift“ machen. Sie tun das Nötigste, machen immer pünktlich Feierabend und stellen eine ständige Gefahr für das Unternehmen dar, wenn sie im Kundenkontakt stehen. Sie sind in einer Unternehmung nur zu ertragen, wenn genügend Menschen der beiden ersten 25% da sind.

Und die restlichen 25%? Da ist eigentlich Hopfen und Malz verloren. Alle Motivationsversuche, sei es über Geld, Verantwortung und Anerkennung prallen ab, weil sie ganz einfach nicht wollen.. Diese Gruppe ist der Garant dafür, dass das Unternehmen früher oder später mit der Pleite kämpft.

Sorgen Sie dafür, dass in Ihrer Unternehmung möglichst nur Mitarbeiter der ersten beiden Gruppen beschäftigt sind und überlassen Sie die andern beiden der Konkurrenz. Und vergessen Sie nicht: Wer mit Erdnüssen zahlt, darf sich nicht wundern, wenn er von Schimpansen umgeben ist.

Kundennähe
Wenn Sie Unternehmensleiter sind, verbringen Sie mindestens 30% bei Ihren Kunden, an der Front oder im Laden. Nur so erkennen Sie, was sie wollen, was sie beschäftigt und wie sie denken. Wenn Sie erst eine Umfrage starten müssen, haben Sie bereits verloren.

Service
„Wir müssen Kosten sparen, runter mit den Kosten. Der Weltmarkt, die Globalisierung, Sie wissen schon“ verlangt der Verwaltungsrat. Also werden Kosten gespart. Auf Teufel komm raus. Und alle haben gleichzeitig die gleiche Idee: Personalabbau. Nun gibt es wohl nichts personalintensiveres als Dienstleistungen und Service. Also ist der Service zu teuer und fällt dem Kostenmanagement zum Opfer.

Mit grenzenlos erstaunlicher Dummheit folgt zurzeit eine Managerkaste der andern in den unheilvollen Weg, den Service zu „rationalisieren“. Ob Banken, Versicherungen, Fluggesellschaften, aber auch Gerätehersteller und Grossverteiler bauen den Service ab. (Beispiel: kaufen Sie Ihr nächstes Gerät nicht nach dem Markennamen, sondern aufgrund der Nähe und Qualität der Servicestelle und Sie „kommen auf die Welt“ oder haben Sie schon einmal einen Blick in die monatliche Kontoabrechnung von Bank und Post getan?)

Eines steht aber fest: wenn Service abrationalisiert wird, werden früher oder später auch die Kunden ausbleiben. Und die sind doch das Wichtigste – jedenfalls gemäss Leitbildern.

Dazu noch zwei Gedanken: Service muss nicht gratis sein und: bauen Sie den Service aus und nicht ab. Überlegen Sie sich, wie, wo und womit Sie Ihrem Kunden noch einen Dienst leisten und einen Nutzen stiften können, er wird bereit sein, dafür zu bezahlen – und kommt wieder.

Ihr
Roger Eyer


4 Kommentare

  1. 1. André

    Kommentar vom 5. Juli 2010 um 09:55

    Hallo Herr Eyer,

    besten Dank für Ihren Beitrag – auch wenn er nicht den typischen Themen dieses Blogs entspricht. Sie sprechen mir mit dem Inhalt aus der Seele. Beim Lesen der Überschrift fiel mir sofort eine Änderung ein: „Der Kunde im Mittelpunkt – oder steht er nur im Weg?“

    Als Berater mit Schwerpunkt Serviceoptimierung fällt auch mir auf wie umständlich formuliert und wie praxisfremd die Literatur zu diesem Thema teilweise ist. Man hat den Eindruck dass etwas Neues nur dann gut ist wenn es möglichst kompliziert und unverständlich ist – bis dann selbst die am Thema Interessierten abschalten. Auf einer speziellen Internet-Plattform habe ich eine Gruppe „Serviceoptimierung bei Dienstleistern“ gegründet. Auch dort finden sich Beispiele dafür, wie der Service „verkompliziert“ und „verwissenschaftlicht“ wird. Das eigentliche Ziel gerät dabei meiner Meinung nach in den Hintergrund.

    Ihre Forderung nach Präsenz der Verkäufer beim Kunden entspricht ebenso meinen Vorstellungen. Wichtig sind Verkaufserfolge und keine hochtrabenden Titel. Und Erfolge erzielt man dadurch dass man sich anhört was der Kunde wirklich will und dann seine Bedürfnisse zur vollsten Zufriedenheit erfüllt. Zu jemandem auf dessen Visitenkarte „Verkäufer“ steht habe ich mehr Vertrauen als zu jemandem mit dem Titel „Executive Manager Sales Division“.

    Zum Thema Kundennähe kenne ich folgendes Zitat: „Wenn ich meine Kunden alle vier Wochen spreche, läuft das Geschäft gut. Sehe ich sie nur alle vier Monate, ist das schon bedenklich. Vergehen 14 Monate, bin ich sie womöglich los” (Quelle unbekannt).

    Auch nach meiner Auffassung ist es tödlich für ein Unternehmen, Kostensenkung über eine Reduzierung vom Service erzielen zu wollen. Service ist das A&O, und Service darf auch etwas kosten!

    Beste Grüße

    André Richter

  2. 2. Evelyn

    Kommentar vom 10. Juli 2010 um 21:39

    Lieber André,

    weshalb bist Du überrascht, diesen Beitrag hier auf dem Blog zu finden? Es geht doch schließlich um den WAHRNEHMUNGSWECHSEL

    Danke für Deine wohltuenden Anmerkungen.

    Liebe Grüße
    Evelyn

  3. 3. Hans-Werner Klaffl

    Kommentar vom 19. Juli 2010 um 23:59

    Ich fürchte, ich muss nun meine Vorredner (Schreiber) entweder enttäuschen, oder aber provozieren. Nämlich mit der Feststellung, dass sich Service niemals wirklich lohnen wird und dass Service niemals wirklich ehrlich sein kann. Das könnte nur funktionieren, wenn es künftig nur noch Monopolisten gäbe, keine Mitbewerber also. Denn dann könnte sich ein Verkäufer darauf konzentrieren, die Kunden sachlich zu informieren, die dies auch wünschen. Denn klar ist doch auch, dass viele Kunden meistens in Ruhe einkaufen wollen, nicht von einem Verkäufer belästigt werden wollen. Und die anderen Kunden, können sich heutzutage hinreichende (Internet) informieren, um nicht mehr oder weniger ahnungslos los zu gehen.

    Vergessen wir gegenwärtig doch bitte nie, dass „der Verkäufer seine Ware lobt“ und dabei liegt die Betonung auf „seine“. Wer kann also von einem Verkäufer erwarten, dass er „neutral“ berät. Da wird doch kein Schuh draus.

    Ganz anders ist das in Sachen „Gesundheit“ etwa. Ohne Service wird man da niemals auskommen. Und wir müssen uns dann aber auch klar sein, dass das was kostet. Menschliche „Arbeitskraft“ ist nun mal „die wertvollste“ schlechthin. Somit muss guter Service als Luxusgut anerkannt werden, anerkannt und bezahlt – vom Kunden. Kunden, die dies erkannt haben, bekommen heute bereits einen guten Servic – für gutes Geld.

    Ein „Wahrnehmungswechsel“ ist also auch diesbezüglich notwendig, dass wir zur Kenntnis nehmen, dass dort, wo Kunden nicht viel Geld haben, eigentlich auch kein guter Service angeboten werden kann. Wie denn, dann müsste man Menschen schlecht bezahlen, das kann´s nicht gewesen sein.

    Es wird also künftig beides geben, das Schnäppchen für wenig Geld und ohne Service und den Luxus für viel Geld und mit viel Service.

    Alles andere wird mehr und mehr zu einer Milchmädchenrechnung mutieren und in Pleiten münden, wie sie hier beschrieben werden. Und diese „pseudowissenschaftlichen“ Verkäufer-Schulungen von Menschen, die keine Menschen kennen, nun die wird es wohl auch künftig gegen. Ich denke, für Schummler und solche, die beschummelt werden wollen.

    „Sag mir, wo, wie und was du einkaufst, und ich sage dir, wer du bist“. So könnte man es auf den Punkt bringen. Denn ein guter Verkauf beginnt für mich in allen beruflichen und privaten Bereichen damit, dass gewollt wird, was angeboten wird. Dann wollen beide was miteinander zu tun haben, stellen ihr Gegenüber „in den Mittelpunkt“. Wenn dies nämlich nicht auf Gegenseitigkeit so ist, dann stimmt was nicht, dann wird nichts draus, nichts vernünftiges, nichts gutes, nichts auf Dauer.

    Wir „verkaufen“ uns doch bereits bei der Partnersuche und die Mutter verkauft dem Kind, warum es lernen sollte. Das Kind der Mutter, warum es ihr dies oder das geben oder kaufen soll. Und wenn Ehrlichkeit und Natürlichkeit mit im Spiel ist, dann bleibt er „Verkaufserfolg“ nie hinter dem „Einkaufserfolg“ zurück und umgekehrt.

    So, und wenn ich nun nur Blödsinn in den Augen von einem Leser produziert haben sollte, ok, dann denke ich über alles gern noch einmal nach. Und informiere mich hier über andere Sichtweisen, denn hier gefällt es mir.

  4. 4. Evelyn

    Kommentar vom 23. Juli 2010 um 22:47

    Hallo Hans-Werner,

    danke für Deine dezidierten Anmerkungen. Ja, der persönliche „Service“ ist schon etwas ganz besonderes! Ich muß gestehen, daß ich lieber im Einzelhandel einkaufen gehe statt in den Supermärkten. Letztendlich mache ich dort die besseren (Einkaufs)Erfahrungen. Die Fairness ist i.d.R. eine größere – und auch der Umgang mit etwaigen Reklamationen.

    Kleines Beispiel am Rande:
    Ich kaufte letztens beim Bäcker ein ganz bestimmtes Brot, welches nur dienstags und donnerstags verkauft wird. Es stellte sich beim Schneiden heraus, daß der Teig völlig zerkrümelte und so keine Scheiben geschnitten werden konnten. Am Dienstag war ich wieder zum Einkauf da und berichtete von dem Malheur – und ich bekam ein halbes Brot gratis dazu. Das nenne ich Service. In der Supermarktkette wären einfach nur die Schultern gezuckt worden, frei nach dem Motto „Pech gehabt“.

    Und ich unterstütze damit den Mittelstand. Ein für mich wesentlicher Punkt.

    Freue mich, weiter von Dir hier zu lesen; es gibt noch ganz viele wunderbare Artikel, die Dich bestimmt auch interessieren. Fühl Dich weiterhin wohl hier!

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