Vater werden ist nicht schwer (3/3)

© Andrea Marchetti

Zum Mannwerden gehört das Vatersein, ganz gleich ob der Mann nun auch biologisch Vater von Söhnen oder Töchtern ist oder nur geistig. Vater sein heißt, anderen den Rücken stärken, ihnen Lust am Leben vermitteln, ihnen Halt geben, so daß sie es wagen, ihr Leben selbst in die Hand zunehmen. In der Nähe des Vaters wagen die Söhne und Töchter auch Fehler zu machen. Sie wissen, daß der Vater ihnen nicht in den Rücken fällt. Sie dürfen auch zu ihm kommen, wenn sie Irrwege gegangen sind. Der Vater klammert nicht. Er läßt die Kinder los. Aber er steht zu ihnen. Die Kinder wissen, daß sie immer zurückkommen können, um sich an ihm anzulehnen und um Hilfe und Trost bei ihm zu finden.

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Viele Männer, die sich einseitig auf ihren Beruf verlegen, verweigern die Vaterrolle. Sie können zwar ihre Firma führen, aber nicht ihre Kinder. Bei der Auseinandersetzung mit ihren Kindern spüren die Männer, daß sie sich nicht hinter ihren Rollen verstecken können. Die Kinder erinnern sie an die eigenen Schattenseiten. Die Kinder bewundern den erfolgreichen Geschäftsmann nicht. Sie fordern ihn als Mensch und Vater heraus.

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Vater wird nur der, der sich von seinen Kindern die eigenen Schattenseiten zeigen läßt. Sich der eigenen Ohnmacht und dem Schatten zu stellen, ist die Voraussetzung, den Kindern wirkliche Nähe zu zeigen und ihnen den Rücken zu stärken, wenn sie einmal versagt haben.

Viele Männer haben den Eindruck, sie müßten das Erfolgsrezept, daß sie in der Arbeitswelt anwenden, auch in ihren Familien leben. Doch das mißlingt. In der Firma ist Schnelligkeit gefragt. Doch die Familie erwartet, daß der Vater Zeit für sie hat. Sie wollen einfach nur, daß der Vater da ist, daß er mit ihnen spielt, daß er Zeit für sie hat. Sie wollen von ihm nicht als Leistungsträger benutzt, sondern als Kinder ernst genommen werden.

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Zusamenfassend könnte man sagen, daß zwei Haltungen charakteristisch sind für den Vater:

Die Entschlossenheit und der Großmut.

Väter handeln, wenn es die Situation erfordert. Sie treffen Entscheidungen, anstatt alle Probleme vor sich herzuschieben. In vielen Firmen, Gremien und Gruppen fehlt es heute an väterlichen Männern, die den Kopf hinhalten, die Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen. Viele Männer treffen lieber keine Entscheidung, aus Angst, sie könnten einen Fehler machen. Doch dann geht von ihnen nichs Neues aus. Sie sind konfliktscheu und tragen nichts zur Klärung der Situation bei.

Die andere Haltung ist der Großmut. Väter sind nicht kleinlich und kleinkariert. Sie haben ein weites Herz. Sie vertrauen den Kindern oder denen, die sie begleiten, etwas zu. Solche Väter mit einem weiten Herzen braucht unsere Zeit. Ich bin dankbar, einen solchen Vater gehabt zu haben.
Aus: Kämpfen und Lieben

© Andrea Marchetti

Wir haben alle Defizite erfahren – und das ist gut so. Denn heute sind wir in der Lage, diese Defizite zu erkennen und selbst dafür  sorgen, daß wir dieses Defizit ausgleichen. Sich der eigenen Schattenanteile anzunehmen ist der Weg in die Vollständigkeit. Ein erster Schritt kann sein, sich mit diesem Text auseinander zu setzen, um so die Ursache und die (Aus)Wirkung  zu reflektieren. Dann sind wir auch in der Lage, Neues auf den Weg zu bringen, und zwar genau das, was uns fehlt und das loszulassen, was längst überflüssig geworden ist.

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Habe also den Mut, Deinem eigenen Schatten zu begegnen. Daraus erwächst auch Mitgefühl, für sich selbst und für Deinen Nächsten.

Und unsere Väter verdienen es, daß wir sie achten; für das, was sie taten und auch für das, was sie unterließen. Sie sind ebenso verletzte Kinder wie wir selbst. Sie gaben ihr Bestes, und zwar so, wie sie es sahen bzw. selbst erlebten. Wir haben ihnen viel zu verdanken.

Herzlichst

Evelyn

Mentorin auf Zeit


1 Kommentar

  1. 1. Bernd Kretzschmar

    Kommentar vom 27. Juli 2012 um 09:04

    Liebe Evelyn, das ist ein sehr guter Text. Danke

    Und das sehr respektvolle und versönliche Ende gefällt mir besonders gut.

    Ich war immer auf Kriegsfuss mit meinem Vater, er war sehr hartherzig, streng, brutal.

    Erst als ich selbst Vater wurde habe ich vieles differenzierter und versönlicher sehen können. Habe verstanden, wie viele Opfer unsere Eltern bringen, daß es keine anspruchsvollere und verantwortungsvollere Aufgabe gibt als Kinder gut groß zu ziehen. Und daß wir alle Fehler machen (dürfen!).

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